Friends

Wir werden uns wohl nie wiedersehen, dachte ich, als der S-Bahnzug sich langsam in der Ferne verlor. Das kannte ich schon. Freundinnen streiften mich oft nur wie Tangenten eine Kurve, und verschwanden danach im Unendlichen. Zu tieferen Beziehungen, die über eine Bahnfahrt, eine gemeinsame Spätschicht, oder ein paar Wochen in einem Lager für Zivilverteidigung hinausgingen, reichte es, trotz großer Sympathie und spontanem gegenseitigen Verstehen, oft nicht. Ich glaube, dass das daran lag, das sie, die Menschenkenner waren, in mir einen Außenseiter sahen und ahnten, dass ich es nicht leicht haben werde. Im Grunde haben sie mir ja nichts getan, sondern nur eine freundschaftliche Erwartung erzeugt, die sie nicht zu erfüllen gedachten.

Vielleicht machte ich auch den Fehler, meine Zuneigung einfach so zu verschenken, so dass diese ihnen als nichts besonderes erschien. Was man kampflos erhält, wirft man auch schnell wieder weg. Ich bin sozusagen, leicht zu erobern gewesen.

Chinagirl

“Wieder nichts geworden mit der Freundschaft”, dachte ich und sah dem abfahrenden Zug hinterher, in dem meine potentielle Freundin entschwand, hin zu ihren zukünftigen Enkelkindern. Vor einer Minute hatten wir noch beide lachend nebeneinander auf dem Bahnsteig gestanden. Kurz nach Mitternacht war unser Regionalzug aus Stralsund in Lichtenberg eingetroffen. In dem leeren Waggon waren nur wir beide gewesen, und sie hatte mich gefragt, ob sie sich zu mir setzen kann. Sie erzählte viel über sich und fragte mich eigentlich wenig.

Ihre Großmutter war Chinesin, sie selber aber flachsblond und blauäugig. Auffällig war nur ihre zierliche Statur. Sie zeigte mir Bilder von ihren Kindern. Die hatten schwarze Haare und Mandelaugen, waren dafür aber viel größer, jedenfalls im Vergleich mit der Mutter, wie sie mir erzählte. Wir staunten über die Launen der Vererbung.

Genau wie ich war sie eine Rucksackberlinerin. “Als wir nach der Wende arbeitslos geworden sind, haben wir unser Haus auf Rügen verkauft, und sind nach Berlin gezogen.”

Den Ort bei Stralsund, in dem ich meine Lehre gemacht habe, kannte sie. “Warst du mal im Dorfkrug? Dort haben habe ich meinen Mann kennengelernt während der Schneekatastrophe Achtundsiebzig/Neunundsiebzig, als wir dort ein paar Tage bleiben mussten, weil der Zug nicht weiterfuhr.”

Ich sagte: “Über unserem Dorf wurden Säcke mit Brot von einem Hubschrauber abgeworfen. Ständig trat ich unserer Katze auf den Schwanz, weil wir kein elektisches Licht hatten. Wir brieten auf dem Kachelofen Kartoffelpuffer. Das schönste aber war, dass ich wochenlang nicht in meine Lehre brauchte. Zuerst, weil ständig kein Bus oder Zug fuhr, später, weil sie nicht genug Kohlen hatten, und nur die beiden Abiklassen, die im Sommer Prüfung hatten, im Speisesaal unterrichtet wurden.”

Wir waren ins Gespräch vertieft, als neben uns ein Zug, an dem vorne die Aufschrift Lichterfelde stand, einfuhr. Plötzlich sprang sie mit dem Ausruf: “Das ist meiner”, durch die offene Tür in ein Abteil. Ich blickte dem Zug verblüfft hinterher. Wir hatten ja nicht mal unsere Nummern ausgetauscht.

Ob sie sich mit Anfang Vierzig schon zu alt fühlte, um sich auf etwas neues einlassen zu wollen. Sie war vielleicht zufrieden mit ihrem Leben und wollte keinerlei Veränderung. Was sah sie in mir, ihrer harmlosen, freundlichen Reisegefährtin? Sie ging auf in ihrer Rolle als kleinbürgerliche Ehefrau und freute sich wohl schon auf Enkelkinder um einen neuen Lebensinhalt zu haben, jetzt wo die Kinder aus dem Haus waren. Sie wollte wohl nichts falsch machen.

Grüne Äpfel und Riot Grrrls

“Darf ich die Damen, um ein Interview bitten”, fragt Uli Zelle von der Abendschau zwei Frauen, die vor Kranzler ihr Kännchen trinken. Nancy und ich sind damit einverstanden. “Wie lange seid ihr schon befreundet, und wo habt ihr euch kennengelernt?” fragt der Reporter. Bereitwillig erzählen wir ihm, wie wir vor vielen Jahren während einer Schicht im Glühlampenwerk Narva zusammen gearbeitet haben.

Wir beide waren aber keine Festangestellten, sondern halfen nur ab und zu tageweise in der Glühlampenproduktion aus.

“Setz dich zu ihr”, hatte der Schichtleiter bei Narva zu mir gesagt und wies auf ein grünhaariges Mädchen, als ich die Abteilung betrat, in die mich das Einstellungsbüro im Erdgeschoß, wo die Aushilfskräfte rekrutiert wurden, geschickt hatte. Sie redete mich gleich an. “Du kannst Nancy zu mir sagen. Kennst du Sid Vicious?” Ich musste passen, denn ich hatte den Namen noch nie gehört. “Das ist ein Musiker. Die Freundin von ihm hieß auch Nancy.”

Was hat dich eigentlich an ihr so fasziniert, dass du sie bis heute nicht vergessen kannst?”, werden viele fragen. Die Antwort ist, dass mir noch nie jemand vorher über den Weg gelaufen ist, der mir so ähnlich war. Ich hatte mein anderes Ich getroffen. Wenn ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, sprach sie es aus. So etwas war mir noch nie widerfahren. Ein Glücksfall. Ich lernte in ihr eine Frau kennen, die genauso wie ich, alles las, was ihr in die Finger fiel.

Meine ganze Kindheit hatte ich mir deswegen Vorwürfe anhören müssen. “Du hast nur die Bücher im Kopf. Später will dich keiner heiraten, weil du nur auf der Couch liegst und liest”, warnte mich meine Mutter und blickte mich sorgenvoll an. Sie selber las gar nichts und war auch nicht verheiratet. Meine Oma bezeichnete mich als faul und sah schwarz für meine Zukunft. Vielleicht hatte sie nicht unrecht. Das viele Lesen gehörte sich in ihren Augen für ein Mädchen nicht. Man sollte sich mit praktischen Dingen beschäftigen. Und nun traf ich endlich mal eine andere Frau, die genauso verrückt nach Büchern war.

Ich spürte, sie könnte der Katalysator sein, den ich brauchte. Wir beide als Team könnten etwas reißen. Das haben Paul und John auch sofort geahnt, als sie sich das erste Mal begegneten. Na ja, ich gebe zu, der Vergleich ist vielleicht ein bisschen hochgegriffen.

Natürlich sind aus uns beiden große Schriftstellerinnen geworden, und wir haben zusammen die Welt erobert, erzählen wir der Abendschau.

So hätte es vielleicht sein können, wenn wir beide uns nicht schon seit langem aus den Augen verloren hätten. Ich habe sie seit der Spätschicht im Glühlampenwerk ja nicht mehr wiedergesehen. Vielleicht sind wir doch mal aneinander vorbeigelaufen.

Aber ich werde sie gar nicht mehr erkannt haben, denn damals war sie ein Punk. Sie hat sich bestimmt das Grün aus den Haaren raus wachsen lassen und die Netzstrumpfhosen sind auch schon lange in ihre Bestandteile zerfallen. Ich sehe ja relativ schlecht. Schon oft haben mir Leute erzählt, dass sie mir auf der Straße begegnet sind, und sich gewundert haben, warum von mir keine Reaktion kam. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass wir uns mal begegnet sind.

Aber sie wird mich nicht angeredet haben. Sie ist der Typ Mensch, der, wenn er einmal etwas beschließt, dass durchzieht, auch wenn es keinen Sinn macht.

Sie war schon mit zwölf, dreizehn in die Punkszene in Berlin reingekommen. Damit konnte ich, die aus einem kleinen Dorf war, nicht konkurrieren. Aber wie bei vielen Berlinern, die früh damit angefangen hatten, einfach weil es hier so viele Möglichkeiten gab, lief ihre wilde Zeit auch relativ schnell aus, denn alle Punks, die ich später nach ihr fragte, kannten sie schon nicht mehr. Wie viele Mädchen gehörte sie wohl nur locker in diese Männerkreise rein und konnte sich dort nicht ewig halten, zu mal sie auch keinen festen Freund hatte.

Zweien, die sich ähnlich sind, passiert auch irgendwie das Gleiche. Wir waren ungefähr in einem Alter, sie neunzehn, ich Anfang Zwanzig, hatten keinen Freund, keinen Mietvertrag - ich lebte in einer Ausbauwohnung, ohne etwas auszubauen, und mir graute schon, wenn ich Schritte auf der Treppe hörte, denn ich dachte, es ist die Polizei - sie dagegen wohnte bei einer Freundin. Aus unser Ausbildung waren wir auch beide rausgeflogen und hielten uns mit Aushilfstätigkeiten über Wasser.

Der große Unterschied zwischen uns war, dass sie Berlinerin war und ich aus Mecklenburg kam. Eine andere, nicht unwesentliche Gemeinsamkeit: uns knurrte beiden der Magen. In der großen Pause während der Spätschicht im Glühlampenwerk machten wir uns über die sauren Äpfel her, die es in der Kantine gratis gab, was aber unseren Hunger nicht wirklich stillte. Nach der Arbeit begleitete ich sie noch zur Straßenbahn und erwartete, dass wir uns verabreden. Sie spürte wohl auch, was ich dachte, fuhr aber weg, ohne ein Wiedersehen mit mir auszumachen.

Wie ich schon erwähnt habe, niemand, den ich später nach ihr fragte, kannte sie. Aber einmal, es war Anfang der Neunziger, klopfte es bei mir. “Weist du, wo dein Vormieter jetzt ist?” fragte mich ein junger Mann. Da musste ich passen, den kannte ich gar nicht.

“Ich bin aus Lichtenberg”, erzählte er mir. Er war so alt wie Nancy. “Vielleicht kennt er sie ja”, dachte ich hoffnungsvoll. Ich fragte ihn nach ihr, und endlich nach langer Zeit war mir mal jemand über den Weg gelaufen, der sie kannte. Aber obwohl er sogar mal kurz mit ihr zusammen gewesen war, wusste auch er nichts über sie. Sie ist wohl regelrecht von dieser Stadt verschlungen worden. Und was wollte ich eigentlich hören?

“Sie war eine Nymphomanin”, sagte er. “Sie treibt es mit jedem”, wurde vielen Frauen auch in der Blues-und Hippieszene nachgesagt. Und außerdem hörte ich dort öfter, wenn Männer über Frauen redeten, den Satz: “Sie säuft wie ein Loch”. Ich sah darin den Versuch einer Revolte gegen das bürgerliche Frauenbild, dem unsere Mütter versucht hatten zu entsprechen, und daran auch irgendwie gescheitert waren.
Das freie Ausleben ihrer Sexualität war Frauen über die Jahrhunderte nie gestattet gewesen, den Männern dagegen immer. Die Punkerinnen und Hippiefrauen wagten die Sexrevolte, was natürlich von der Gesellschaft nicht so gut aufgenommen wurde. Ich hielt Nancy für eine Vorkämpferin für die Freiheit der Frau. Darauf hatte sie wohl nach einer Weile keinen Bock mehr, und auch nicht darauf eine Zielscheibe zu bieten, denn sie muss sich schon kurze Zeit danach gewandelt haben. Das finde ich schade. Es gibt viel zu wenig aufmüpfige Frauen. Sie haben wohl eine kurze Halbwertzeit. Ich erinnere mich noch an einen Ratschlag meiner Mutter: "Als Frau ist es das wichtigste, dass man sich anpassen kann." Den Spruch fand ich schon immer ätzend.

Als ich Leute aus der Bluesszene kennenlernte, hatte ich gleich zu Anfang mit Erschrecken konstatiert, dass die Mädels dort meist keinen hohen Stellenwert besaßen und als Schlampen galten. Obwohl ich in punkto Solidarität in dieser Zeit vollkommen über mich hinauswuchs, und dafür Anerkennung erwartete, erging es mir nicht anders. Es gab aber auch arrivierte Szenefrauen.

Viele der Männer haben zwar gegen die Gesellschaft rebelliert, aber die Biedermannmoral, mit der sie aufgewachsen waren, verinnerlicht. Die Punks und Hippies wollten alles anders machen, aber in so einer wichtigen Sache, wie der Beziehung zwischen den Geschlechtern, machten sie es ganz genauso wie die von ihnen verachteten Spießer.

“Was ist eigentlich eine Nymphomanin?”, frage ich mich. Ich wusste bloß, dass sich eine Cousine von meiner Mutter den “Guten Ruf” verdorben hat. Bei ihren Eltern an der Wand, wo die Familienfotos hingen, fehlte ihr Bild. Auch durfte ich sie niemals kennenlernen. Vielleicht dachte meine Mutter, ihr Vorbild könnte auf mich abfärben. Aber was war so schlimmes dran, wenn man für die Liebe lebt? Andere widmen ihr Leben der Erfindung der Wasserstoffbombe und damit der Auslöschung der Menschheit.

Ich kannte das eigentlich andersrum, dass immer die Typen sauer waren, wenn man nichts von ihnen wollte. In der Zeit, wahrscheinlich galt ich da als jung und knackig, als was ich heute nicht mehr gelte, was aber auch seine Vorteile hat, sollte ich ständig mit irgendeinem ins Bett gehen, wollte das natürlich nicht, da ich meine eigenen Pläne, was die Liebe betrifft, hatte. Oft, um sich zu rächen, haben sie alle gegen dich aufgehetzt. Und das hat zu meiner Verwunderung meist sogar funktioniert, obwohl das jeder durchschaut hat. Die meisten waren ja Mitläufer und versuchten sich anzupassen.

Es gab wohl den guten Sex und den bösen Sex. Der gute fand im Ehebett oder zumindest in einer offiziellen Beziehung statt. Der böse war alles andere. Ich bin eher durch letzteren entstanden, denn mein Vater war verheiratet.

ZV-Lager

Jetzt, wo ihr Gesicht seine Jugendlichkeit verloren hat, wirkt es schlau und gerissen. Ich sehe sie mit ihrem Mann manchmal im Internet auf irgendwelchen Synagogenkonzerten. “Was wollen sie da? Sie sind ja gar keine Juden”, fragte ich mich. Scheinbar ist es ihnen gelungen, sich dort irgendwo einzuschmeicheln. Oder ich tue ihnen Unrecht, und sie haben doch familiäre Wurzeln.

Zum Glück ist das nie eingetreten, wovor ich mich immer gefürchtet habe. Es wäre der ultimative Supergau gewesen, wenn ich die Tür zu einem Büro in Jobcenter geöffnet hätte, und sie da vor mir sitzt und im Computer meine Akte lesen kann.

Einmal, in meiner ersten Zeit in Berlin, lief jemand, die ich nicht kannte, vor mir im Hörsaal die Treppe hoch. Ihr halblanges blondes Haar wurde am Hinterkopf von einer sogenannten Bananenspange zusammengehalten. “Das sieht gut aus”, dachte ich.

Bald darauf mussten wir zwischen Ostern und Pfingsten sechs Wochen zu einem Zivilverteidigungskurs und wohnten in Bungalows. Eine geniale Zeit. Dort lernte ich die Unbekannte kennen, die mir aufgefallen war. Sie suchte meine Nähe, und Arm in Arm zogen wir mit einer Weinflasche abends durch die Gegend. Irgendwie passte das mit uns. Wir mochten uns spontan.

Berlin hat ja eine herrliche Umgebung. Es gab auf dem Gelände sogar einen See, an dem wir beide oft saßen. Sie, die Berlin aufgewachsen war, erzählte: “Als ich noch auf der Penne war, haben wir verschiedene Phasen durchgemacht. Eine Zeitlang sind alle zu Jazzkonzerten gelaufen, als das vorbei war, haben wir eine Weile immer beim Pfarrer Tee getrunken. Ich war auch mal mit einem Freund zusammen, der lange Haare hatte. Er und ich sind sechs Wochen durch Ungarn und Bulgarien getrampt.” Hinter ihre wilde Zeit hatte sie aber nach dem Abi, oder spätestens seit ihrem neuen Freund, der in einem Ministerium arbeitete, die anderen vermuteten, dass es die Stasi war, einen Schlussstrich gezogen.

Nach ihrer kurzen Phase der Anarchie, wohin sie ihr Temperament getrieben hatte, aber auch ihre wache Intelligenz, die Reibungsflächen suchte, hatte sie bei sich beschlossen, einen cut zu machen. Ihre Schallplatten sind wohl bei irgendeinem Umzug kurzerhand in den Müllcontainer geflogen, und sie vergaß die ehemaligen Kumpels. Ich glaube in der Freundschaft mit mir erwachte noch Mal ihr altes Ich, bevor sie ihm endgültig das Lebenslicht ausblies.

Nach den Semesterferien hatte sie bei sich wohl so entschieden, dass sie mich nicht mehr brauchte. Ich staunte, dass so was so einfach geht. Wir wechselten nur noch einen förmlichen Gruß, wenn wir uns begegneten.

Dieser Typ Mensch, der alles nur nach dem Verstand entscheidet, begegnete mir in ihr das erste Mal aber leider nicht das letzte Mal. Bei Bilanzen rechnet man mit Soll und Haben. Da schlug die Freundschaft mit mir wohl auf der Sollseite zu Buche. Ich schluckte die Enttäuschung runter.

Ich glaube aber, dass gerade die Gegensätze zwischen uns unsere Anziehungskraft aufeinander ausgemacht hatten. Außerdem wollte ich in Berlin bleiben, und mich zog an ihr auch an, dass sie aus dieser Stadt kam. Ich mochte an ihr ihre Intelligenz und war wohl die Seite von ihr, die sie bei sich unterdrückte. Wenn dich an jemandem sein Verstand anzieht, kann das gefährlich werden. Ehe du dich versiehst, setzt er dich matt wie beim Schach oder manipuliert dich. Eines muss ich ihr lassen. Sie war die erste, die zu mir gesagt hat, dass ich schreiben soll.

Während dieses sogenannten ZV-Lagers schloss ich auch mit anderen Freundschaft, die ich bisher nur vom Sehen gekannte hatte, da sie aus anderen Seminargruppen kamen. Die Zeit dort gehörte zu den schönsten meines Lebens.

Ich ahnte aber, dass über allem schon der Hauch der Vergänglichkeit lag. Und wirklich verlor sich der Kontakt nach Ende unseres Studiums. Einmal schleppte mich mein Freund, der Union-Fan war, mit in die Alte Försterei. Dort traf ich die eine davon wieder, damals eine der lustigsten und aufgeschlossensten, die auch mit ihrem Freund da war. Sie interessierte sich genauso wenig für Fußball wie ich, aber zu mehr als zu einem kurzen Gruß kam es nicht zwischen uns. An unseren Männern lag das nicht, die hatten bloß Augen für das Fußballfeld.

Eine andere aus der Truppe, die damals ein Hippiemädel war - meinen Zweiundzwanzigsten feierten wir in ihrer Studentenbude im Prenzlauer Berg - traf ich nur wenige Jahre danach mal im Bus. Sie war gerade Mutter geworden, neben ihr standen Kinderwagen und Kindesvater. Sie nickte mir nur kurz zu. Das wars dann.

Eine dritte wohnte sogar mal im selben Haus wie ich. Sie war mir schon im Hausflur aufgefallen. Eines Tages sprach sie mich an. “Wir kennen uns doch.” Aber als ich ihr erzählte, dass es bei mir momentan nicht so gut lief, und ich ziemlich in Schwierigkeiten steckte, veränderte sich ihr anfangs erfreuter Gesichtsausdruck, und sie ließ mich nach einer Weile stehen. "Warum habe ich ihr gegenüber eigentlich so offen geredet? Ich hätte ja auch einfach etwas vorschwindeln können”, fragte ich mich später.

Der Grund dafür, dass ich dachte, dass ich mit ihr reden kann, war, dass sie und ihre beste Freundin irgendwie interessanter wirkten als die meisten anderen Studentinnen. Die, die ich in meinem Haus wiedergetroffen hatte, lief zu der Zeit immer mit einer wehenden, roten Mähne und einem abgewetzten Wildledermantel durch die Gegend. Ihre Freundin dagegen trug ihre Haare zu Zöpfen geflochten. Heute würde ich sagen, sie machten auf intellektuell. Sie waren aber ganz in Ordnung und gar nicht eingebildet, jedenfalls zu der Zeit.

Ich fühle mich wohl immer vom gleichen Typ Frau angezogen, der viel bodenständiger und verstandesorientierter ist als ich. Manchmal habe ich den heimlichen Verdacht, dass es immer dieselbe ist, bloß in unterschiedlicher Gestalt, denn obwohl die drei Frauen, um die es geht, scheinbar ganz verschieden voneinander waren, kamen sie am Ende unserer Bekanntschaft zu demselben Entschluss und strichen mich aus ihrem Leben.
 
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